GRANT - Das Hotelmagazin für Property- und Revenue Management

(Female) Leadership in der Hotellerie

Geschrieben von Bernd Pohlmann | 29.08.2023 14:23:00

Der Erfolg eines Hotels hängt am Team. In einer Branche, die stark von Dienstleistungen und Kundenzufriedenheit abhängt, ist ein qualifiziertes und motiviertes Team von entscheidender Bedeutung. Dr. Verena Jaeschke und Tini Diekmann vom Hotel Oderberger in Berlin erzählen in GRANT, wie eine inklusive Unternehmenskultur zu einer nachhaltigen Lösung von Personalproblemen führt, und mehr noch: wie die Schaffung einer Arbeitsumgebung, in der Männer und Frauen gleiche Chancen und Anerkennung erhalten, vielleicht eine gesamte Branche transformieren kann.

Gleichberechtigung in der Hotellerie ist - wie in den meisten Branchen - längst keine Selbstverständlichkeit. Im Hotel Oderberger sieht die Wirklichkeit anders aus: Die CEO ist weiblich. Ihre beiden Töchter stehen in der CEO-Nachfolge und Geschäfts- bzw. Hotelleitung. Viele der Abteilungen im Oderberger werden durch Mütter geleitet und auch die CEO macht es als 3-fache Mutter vor, dass sich Mutter und Führungskraft Sein nicht ausschließen.

 

GRANT: Wie sorgt ihr durch Female Leadership für eine gleichberechtigte Arbeitsumgebung?

Verena Jaschke: Das beginnt mit der Unternehmenskultur. Welche Kultur leben die Führungskräfte intern vor? Worauf achten wir dabei? Welche Bildsprache und welches Wording haben Stellenanzeigen und Websites? Wie positionieren wir uns zu Themen wie Gendern, Diversity, Vereinbarkeit? Das sind keine Nebensächlichkeiten, sondern Hauptsachen. So stellen wir sicher, eine breitere Zielgruppe für Leadership-Rollen anzusprechen und intern tolle Kräfte zu ermutigen.

Das Thema Weiterbildung ist hier wichtig. Neue Führungskräfte bekommen bereits zum Einstieg ein Führungskräftetraining und bei Bedarf Coachings – man wird also im Wachstumsprozess in die neue Rolle unterstützt. Es gibt darüber hinaus diverse Formate für regelmäßigen Austausch und Feedbacks – ob im Team, mit Führungskräften oder mit unabhängigen Vertrauenspersonen.

 

GRANT: In den Service-Bereichen von Hotels sind Frauen überrepräsentiert, in der Führung sind sie unterrepräsentiert. Was macht ihr anders?

V.J.: Beim Thema Frauen in Führung ist das Thema Vereinbarkeit essentiell. Wir machen gute Erfahrungen mit Führungskräften in Teilzeit und Tandem-Modellen – das spricht Eltern an, aber auch junge Fachkräfte, die Wert auf eine gute Work-Life-Balance legen, also unabhängig davon, ob die Menschen Eltern sind oder einfach nur Zeit für andere Projekte möchten.

Beispielsweise wird der Bereich Gastronomie & Events – knapp 25 Personen – durch ein Führungs-Tandem geführt. Gleiches gilt für die Geschäftsleitung, wo wir nach unserer CEO und Gründerin Barbara Jaeschke ein Tandem aus meiner Schwester (künftig Mutter und in Teilzeit) und mir haben.

Teilzeit-Modelle werden ebenfalls sehr gut angenommen, beispielsweise in der Frühstücksleitung, bei der Barchefin. Mit einer guten Arbeitsorganisation ist das möglich und ermöglicht ein besseres Arbeiten für das Team.

 

 

 

 

GRANT: Wirkt sich das positiv auf die Fach- und Führungskräfte-Bindung für das Hotel aus?

V.J.: Wir als Betrieb profitieren klar davon, dass wir Beruf und persönliche Verpflichtungen gleichberechtigt vereinbaren, unabhängig von Geschlechts- und Rollenvorstellungen. Das Klischee, dass Frauen im Hotel keine Karriere machen können, weil sie 24/7 verfügbar sein müssen, halte ich für überholt und nicht mehr zeitgemäß. Wir schaffen flexible Arbeitszeitlösungen für Mütter (und Väter) und für alle, die aus sonstigen Gründen Flexibilität benötigen.

 

 

 

GRANT: Was bedeutet das konkret für die Organisation und Durchführung täglicher Aufgaben?

V.J.: Wir setzen eine ganze Reihe von Maßnahmen um. Beispielsweise stehen Dienstpläne mindestens 2 Wochen im Voraus, damit wir Freiwünsche besser berücksichtigen können.

Wir ermöglichen Sabbaticals, und für PC-Jobs sind auch Workations möglich. Fallen einmal Überstunden an, können diese in ganzen Tagen ausgeglichen werden.

An Freitagen gibt es keine übergreifenden Meetings und Montags bis Donnerstag finden Meetings nur zwischen 11 und 15 Uhr statt – so stellen wir sicher, dass man teilnehmen kann, unabhängig davon, ob man früh oder spät arbeitet.

 

 

 

GRANT: Wie vernetzt ihr euch, um den Austausch und die Zusammenarbeit von Frauen in der Hotellerie zu fördern?

Tini Diekmann: Ich bin aktiv an der Organisation des Revenue Ladies Stammtischs in Berlin beteiligt, sowie am Mews (PMS) Stammtisch und dem Berliner Boutique Hotel Stammtisch. Ich denke, Frauen sind besonders gute Netzwerkerinnen, weil sie gut organisiert sind und immer wieder Treffen organisieren, gerne networken und einfach sozial sind. Im Ladies Revenue Stammtisch gibt es weniger Ellenbogen-Mentalität und ohne Alpha Männchen ist der Austausch irgendwie ehrlicher. ;)

 

 


GRANT: Worauf achtet ihr besonders beim Thema Recruiting?

T.D.: Wir achten darauf, Diversität in den Teams zu fördern. Nicht umsonst haben wir die Charta der Diversity unterschrieben und sind Mitglied im Pink Pillow Hotelverband Berlin. Diversität  fördern wir auch gezielt im Recruiting Prozess. Wir behandeln alle Lebensvorstellungen gleich und machen keinen Unterschied bei den Gehältern. Aktuell haben wir an der Rezeption sogar von den Festangestellten 2 Männer in Teilzeit, alle Frauen hingegen arbeiten Vollzeit. Klischees sucht man bei uns also vergeblich ;)

 

 

 

 

 

https://www.visitberlin.de/de/lgbti-hotels-pink-pillow-berlin-collection

 

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